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Prolog: Nordnebel Geister – Die Berge des Nordens

Ich kam aus den schneebedeckten Bergen des Nordens, an denen alle Geschichten beginnen, denn an ihnen gipfelt die Welt. Ich kam aus den Nadelwäldern der Gebirge, aus den kristallenen Seen unter klaren Himmeln, aus nachtschwarzen Minenschächten und reißenden Gebirgsflüssen. Ich kam aus einem Raum, in dem tausend Uhren ticken, aus einem Haus, das kein Zimmer birgt, das nicht meinen Namen trüge.
Ich war alt. Und ich war rein. Meine Seele war so rein, du wärst eine Blüte geworden, hättest du mich geküsst; du wärst ein Schmetterling geworden, hättest du mich berührt. Doch als du mich zum ersten Mal sahst, warst du bereits wie Stein; starr und abgehärtet vom Leben und all seinen Leiden.
Ich bette mich also neben deinen alternden Körper und lausche deiner flüsternden Haut, bis ich ihre Worte verstehe. Bis ich ihren Geruch auf meiner Zunge schmecke, als würde er schon immer friedlich dort lagern, um mir Halt zu geben.
Es ist nur ein kurzer Moment, in dem du dich öffnest und vergisst, wer du eigentlich sein wolltest; in dem dir einfällt, wer du wirklich bist. In diesem letzten, ewigen Moment deiner Existenz schlage ich dich auf wie ein Buch und zeichne mir eine Karte deiner Seele. Dann ziehe ich aus, um einen Garten anzulegen und Pfade zu pflanzen, die wie die Wege verlaufen, die ich in dir gefunden habe.
Hier, in dieser Geisterwelt nun, können wir im feuchten Gras der Nacht liegen und über das Mondlicht lachen. Blitze sprenkeln meinen Körper. Wenn du mich berührst, wirst du der Donner; und du verstehst vielleicht, warum mich dieses Jungsein so ermüdet. Warum Fortleben an einigen Tagen nur ein Hemmnis zu sein scheint.
Vielleicht kehre ich zurück in die Gebirge. Dann wate ich mit nackten Füßen durch das Bergseewasser und fliege mit dem Wind zu den höchsten Gipfeln. Vielleicht baue ich mir eine Krone aus den Knochen der Menschen, die kamen, um nach mir zu suchen. Oder ich werde ein Vogel und vergesse, wer ich bin.

Zur kleinen Vorstellung des Projekts geht es hier.

10 Kommentare
  1. Polykristall
    Polykristall sagte:

    Wow, vielen Dank. Dass es den Roman jemals als Buch geben wird, bezweifle ich – Verlage und Agenturen mögen mich nicht so; und bis das Projekt beendet ist, wird sicher eh noch einiges an Zeit ins Land ziehen. Aber es freut mich sehr, dass dir der Text so gefallen hat. Danke, das bedeutet mir viel ♥

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  2. Elisabeth G.G.
    Elisabeth G.G. sagte:

    Hey =)

    Ach ich sollte wirklich wieder mehr von dir lesen, du kannst es einfach.
    Wirklich wunderschön geschrieben, sehr elegant und wunderbar melodisch … Schreibst du wirklich jetzt dran, oder ist es nur ein kleines Nebenprojekt?
    Meine Lieblingssätze sind: >Ich kam aus den schneebedeckten Bergen des Nordens, an denen alle Geschichten beginnen, denn an ihnen gipfelt die Welt.< und >… schlage ich dich auf wie ein Buch und zeichne mir eine Karte deiner Seele.<
    Also beim ersten Satz liebe ich einfach den letzten Teil – “denn in ihnen gipfelt die Welt” – wunderschön! Dieses Bild und die Kraft der Aussage … einfach atemberaubend wie die Berge …
    Und der zweite Satz … seine Melodik ist so wunderschön … fast wie ein Lied – vorallem dieser Teil … Und diese kleine Formulierung “und ich zeiche MIR eine Karte…” – das macht das ganze noch einmal so intim und vertraut.

    Sry, dass ich so ausschweife, aber mir gefällt dieser kleine Ausschnitt sehr gut! Drum konnte ich es nicht lassen ;)

    Und das Foto? Hast das du gemacht? Es ist sehr schön!

    LG
    Elisabeth
    http://elisabethgatterburg.blogspot.co.at/

    Antworten
  3. Rebekka Berthold
    Rebekka Berthold sagte:

    Seit längerem bin ich ein heimlicher, begeisterter Leser deiner Seite.
    Ich traute mich bisher nie, deine Einträge zu kommentieren, da ich keine Wörter fangen konnte, die deinen Texten angemessen schienen. Wörter, die stumme Schreie ausstoßen, so wie deine es tun. Und dann fand ich ein altes Notizbuch, in dem ich einmal schöne Wörter sammelte, die Menschen an mich richten. Und dann entdeckte ich deine aufbauenden Kommentare und fand heraus, dass ich einmal einer deiner Magneten war. Bloß deswegen fasse ich jetzt den Mut dir folgendes zu schreiben.
    Deine Worte sind eine eigene Sprache. Sobald ich sie lese, werde ich stumm, hänge wortlos in den Fesseln deiner Sätze. Ich wünschte du könntest das Glück in meinem Lächeln sehen, wenn ich durch deine Einträge tanze.
    LG,
    http://super-califragilistic-expialigetisch.blogspot.de/

    (ehemalig: dein-eigenes-kleines-alaska… vielleicht erinnerst du dich)

    Antworten
  4. Polykristall
    Polykristall sagte:

    Wow, super lieben Dank für deinen lieben Kommentar und deine lobenden Worte. Es tut mir leid, dass ich erst jetzt zum Antworten komme, aber in letzter Zeit war bei mir einfach super viel los, durch das Praktikum und alles. Auf jeden Fall sehr genial, dass dir der Text so gut gefällt. Tausend Dank, wirklich.

    Und klar ist es von mir. Inzwischen poste ich nur noch eigene Fotos :)

    Liebe Grüße,
    Marie

    Antworten
  5. Polykristall
    Polykristall sagte:

    Oh, natürlich erinnere ich mich. Wow, vielen Dank für deine lieben Worte, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Es rührt mich sehr, was du schreibst und es tut mir unendlich leid, dass ich so lange dazu gebraucht habe, um darauf zu reagieren. Zurzeit ist einfach unglaublich viel los, bei mir. Und dein Lob und deine unglaublich freundlichen Gedanken zu meinen Texten bauen mich nur noch mehr auf. Tausend Dank, wirklich <3

    Liebe Grüße,
    Marie

    Antworten

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